Russland: Erste Zwangslizenz von der Russischen Regierung mit Begründung der „öffentliche Sicherheit“ erteilt
Am 31. Dezember 2020 hat die russische Regierung das Dekret Nr. 3718-p erlassen, mit dem das russische Generikaunternehmen „Pharmasynthez“ über einen Zeitraum von einem Jahr sechs eurasische Patente von Gilead nutzen darf, um die Bevölkerung der Russischen Föderation mit pharmazeutischen Präparaten mit dem Wirkstoff „Remdesivir“ zur Behandlung von COVID-19 Infektionen zu versorgen.
Im Bereich der Pharmazie wurden seit Mitte 2018 von russischen Gerichten eine Reihe von Zwangslizenzen für abhängige Patente an das inländische russische Generikaunternehmen „Nativa“ vergeben, um Analoga von patentierten Arzneimitteln internationaler Pharmafirmen in Russland herzustellen. Im Gegensatz dazu basiert das oben genannte Dekret jedoch auf Art. 1360 des russischen Zivilgesetzbuchs, welches die Regierung dazu ermächtigt Zwangslizenzen "im Interesse der Verteidigung und der nationalen Sicherheit" ohne Zustimmung des Patentinhabers zu erteilen, vorbehaltlich einer "angemessene Entschädigung". Durch das genannte Dekret wurde der Mechanismus von Art. 1360 zur Erteilung einer Zwangslizenz erstmalig ausgelöst, wobei das Dekret ausdrücklich auf den Grund „im Interesse der Sicherheit" verweist.
Die generische Remdesivir-Version von Pharmasyntez heißt „Remdeform“. Die Beschränkung der Zwangslizenz auf 1 Jahr ist offenbar darauf zurückzuführen, dass auch das Originatorpräparat Veklury® von Gilead nur eine bedingte Marktgenehmigung für die Behandlung von COVID-19 erhalten hat, die am 01.01.2022 abläuft.
Es bleibt unklar, wie die in Art. 1360 genannte „angemessene Entschädigung“, die dem Patentinhaber zusteht, berechnet werden soll, und ob die zu leistenden Zahlungen dem realen Marktwert dieser Lizenz entsprechen werden. Die tatsächliche Höhe der Entschädigung soll vom Ministerium für Industrie und Handel innerhalb von drei Monaten festgesetzt werden.
Abgesehen davon arbeitet das russische Parlament derzeit am Gesetzesentwurf 842633-7, durch den der oben genannten Mechanismus von Art. 1360 des russischen Zivilgesetzbuches zur Erteilung einer Zwangslizenz noch erheblich vereinfacht werden soll. Hierfür soll die in Art. 1360 genannte Begründung für eine Zwangslizenz „im Interesse der Verteidigung und der nationalen Sicherheit“ durch die Klausel „im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung“ erweitert werden.