04-05-2022 17:04
von Willi Fast

Russland - AKTUELLES - Patentierung in der Russischen Föderation

Im Zusammenhang mit den kürzlich von der internationalen Gemeinschaft gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen wird derzeit unter IP-Fachleuten diskutiert, ob den US-Sanktionen eine Verbotswirkung auf die Patentierung in Russland beigemessen werden kann.

Einerseits ist das Russische Patentamt keine sanktionierte Einrichtung im Rahmen der von der internationalen Gemeinschaft gegen Russland verhängten Sanktionen. Auch ist es nicht per se verboten, Patente über das Russische Patentamt anzumelden. Andererseits können Zahlungen von amtlichen Gebühren an das Russische Patentamt nur über die Zentralbank der Russischen Föderation ausgeführt werden, und diese Bank ist von den USA gezielt mit Sanktionen belegt worden. Insbesondere die US-Sanktionen, die in der Richtlinie Nr. 4 der Durchführungsverordnung 14024 des Finanzministeriums vom 28. Februar 2022 festgelegt worden sind, können in der Tat so ausgelegt werden, dass sie auch Zahlungen von amtlichen Gebühren für IP-Rechte an das Russische Patentamt über die Zentralbank einschließen. Diesbezüglich sieht die Allgemeine Lizenz Nr. 13 vom 2. März 2022 eine Übergangsfrist bis zum 24. Juni 2022, 12:01 Uhr EDT vor, um bestimmte Aktivitäten, die mit Sanktionen belegt worden sind, abzuwickeln, wozu auch die Zahlung amtlicher Gebühren für IP-Rechte gehört.

Während sich die oben genannten Sanktionen der Richtlinie Nr. 4 auf "US-Personen" beziehen und somit nicht direkt für in Deutschland oder der EU ansässige Unternehmen gelten, ist es möglich, dass die USA auch sekundäre Sanktionen verhängen. Infolgedessen könnten die betreffenden US-Sanktionen aus Sicht der USA für Unternehmen weltweit gelten, unabhängig davon, ob eine potenzielle Verbindung zu den USA besteht oder nicht. Europäische Unternehmen sind daher gut beraten, eine Risikobewertung in Bezug auf die US-Sanktionen vorzunehmen.
(vgl. auch: Auswirkungen der Sanktionen auf die Patentierung in der Russischen Föderation)

Wenn also ein Schutzrechtsinhaber unabhängig von seinem tatsächlichen Ort der Eintragung die US-Sanktionen einhalten will und der Meinung ist, dass die Zahlung amtlicher Gebühren an das Russische Patentamt nach dem besagten Datum des 23. Juni 2022 in der Tat als Verstoß gegen die Sanktionen angesehen werden könnte, scheint Folgendes ratsam zu sein.

 

Entwicklung einer russischen Patentstrategie

Eine abwartende Haltung könnte zum Verlust von Patentrechten sowie zu einer möglichen Haftung für wissentlich oder unwissentlich ausgeübte Aktivitäten führen, die unter den US-Sanktionen womöglich als verboten angesehen werden. Jeder, der in Russland Patentaktivitäten nachgeht, sollte daher eine Überprüfung seines Portfolios vornehmen und die im Rahmen der Allgemeinen Lizenz verbleibende Zeit nutzen, um einen Plan zu erstellen, der die Einhaltung der aktuellen Sanktionen gewährleistet. Bei dieser Überprüfung des Portfolios sollten zumindest die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:

  • Vorgehen bei Anmeldungen, die erteilt worden sind - Anmelder, die einen Erteilungsbeschluss mit einer Frist zur Zahlung der fälligen Gebühren erhalten haben, welche nach Ablauf der Allgemeinen Lizenz endet, könnten eine vorzeitige Zahlung der Gebühren in Betracht ziehen. Dies sollte jedoch nur dann erfolgen, wenn sichergestellt werden kann, dass die Zahlung vor dem Ablauf der Allgemeinen Lizenz am 24. Juni 2022 ausgeführt wird.
  • Das Verfahren in den "Standby-Modus" versetzen - Die Nichtzahlung von amtlichen Gebühren an das Russische Patentamt bedeutet, dass Fristen versäumt werden und die entsprechenden Anmeldungen oder Patente in der Regel als zurückgenommen gelten. Wenn eine Patentanmeldung in Russland aufgrund einer versäumten Frist als zurückgenommen gilt, erlaubt die russische Patentgesetzgebung jedoch in vielen Fällen eine Wiedereinsetzung einer solchen Anmeldung innerhalb einer Frist von 12 Monaten. Im Falle eines erteilten Patents, für das die Jahresgebühren nicht gezahlt wurden, kann das Patent sogar innerhalb einer Frist von 3 Jahren wiedereingesetzt werden. In diesem Fall ist jedoch zu bedenken, dass in der Zwischenzeit, in der das Schutzrecht nicht in Kraft ist, möglicherweise Rechte Dritter zur weiteren Nutzung des Schutzrechts entstehen könnten.
  • Jahresgebühren für erteilte Patente - Jede an das Russische Patentamt nach Ablauf der Allgemeinen Lizenz gezahlte Jahresgebühr könnte als Verstoß gegen die oben genannten US-Sanktionen gewertet werden. Patentinhaber, die einen Dienstleister für die Entrichtung von Jahresgebühren in Anspruch nehmen, sollten sich mit ihrem Anbieter in Verbindung setzen, um sich bestätigen zu lassen, dass dieser einen Plan zur Einhaltung der Sanktionen hat. Einige Dienstleister für die Entrichtung von Jahresgebühren haben bereits angekündigt, dass sie bis auf Weiteres keine Zahlungen mehr an das Russische Patentamt leisten werden. Für russische Patente, für die Jahresgebühren 2022 fällig werden, könnten vorzeitige Zahlungen geleistet werden, in der Hoffnung, dass sich die Lage bis zur nächsten Frist in 2023 normalisiert. Alternativ sollten Patentinhaber sicherstellen, dass für alle russischen Patente bei ihrem Anbieter ein „Nicht zahlen“-Auftrag vorliegt, um eine unbeabsichtigte, automatische Zahlung unter Verletzung der Sanktionen zu vermeiden.
  • Vorzeitige Einreichung von Anmeldungen - Wenn eine neue Patentanmeldung in Russland geplant ist, was in der Regel der Eintritt  einer PCT-Anmeldung in die nationale Phase ist, könnte eine vorzeitige Einreichung vor Ablauf der Allgemeinen Lizenz in Betracht gezogen werden. Dies könnte in der Hoffnung geschehen, dass keine Fristsetzung für die Zahlung künftiger Gebühren an das Russische Patentamt vor dem Zeitpunkt der Aufhebung der Sanktionen erfolgt.
  • Patentschutz über Eurasische Anmeldungen - Russland ist einer von mehreren Staaten, in denen Patentschutz auf der Grundlage eines vom Eurasischen Patentamt erteilten eurasischen Patents erlangt werden kann. Die Banken, die für die Abwicklung von Finanztransaktionen betreffend das Eurasische Patentamt genutzt werden, sind nicht von den US-Sanktionen betroffen. Die Erfahrung zeigt, dass ein vom Eurasischen Patentamt erteiltes eurasisches Patent in der Praxis bei nationalen Durchsetzungsverfahren in einem EA-Vertragsstaat den gleichen Wert hat wie ein entsprechendes nationales Patent. Eine direkte Anmeldung beim Eurasischen Patentamt bzw. Eintritt in die eurasische regionale Phase stellt somit eine Alternative zur Erlangung von Patentschutz in Russland dar und bietet zudem eine Reihe von Vorteilen im Vergleich zu nationalen Anmeldungen.
  • Russland als Internationale Recherchenbehörde (ISA) - Das Russische Patentamt ist eines der Patentämter, die als ISA bei einer PCT-Anmeldung bestimmt werden können, wobei aufgrund der relativ geringen Kosten im Vergleich zu anderen Ämtern das Russische Patentamt bevorzugt ausgewählt werden kann. Die an die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) gezahlten Recherchegebühren werden an das Russische Patentamt weitergeleitet, wenn es als ISA ausgewählt ist, und es ist nicht möglich, sicherzustellen, dass diese an die WIPO gezahlten Gebühren vor Ablauf der Frist der Allgemeinen Lizenz an das Russische Patentamt weitergeleitet werden. Daher ist zu empfehlen, bis zur Aufhebung der Sanktionen das Russische Patentamt nicht mehr als ISA für PCT-Anmeldungen zu bestimmen.

(vgl. auch: Auswirkungen der russischen Gegenmaßnahmen auf den IP-Sektor)

 

 

 

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